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Von Bio-Eiern und nachhaltiger Geldanlage

23. April 2018

Jeder kennt sie, die Bilder und Geschichten zu Hühnerfarmen, in denen Tiere als reine Produktionsmittel angesehen werden, in ihrem Leben nie das Sonnenlicht sehen oder im Falle männlicher Küken im schlimmsten Fall gar nicht „gebraucht“ werden. Da ist es doch beruhigend, wenn man im Supermarkt neben den grau verpackten konventionellen Eiern zu den in gründen Kartons verpackten Bio-Freilandeiern mit Bildern von glücklichen Hühnern greifen kann. Bei genauerem Hinschauen stellt sich allerdings die Frage, inwiefern die eigene Vorstellung in Bezug auf Freilandhühner mit der Realität übereinstimmt. Die Mindestanforderungen für eine Bio-Zertifizierung unterscheiden sich häufig doch deutlich von einer Bauernhof-Idylle. Insofern müssen wir Verbraucher eigene Maßstäbe definieren und uns im Zweifel etwas genauer informieren.

Ein ganz ähnliches Problem ergibt sich auch in Bezug auf das Thema nachhaltige Geldanlage, denn auch hier stellt sich die Frage, ob ein nachhaltiger Fonds tatsächlich das bietet, was man sich als Anleger darunter vorstellt.Daher sei zunächst einmal der Begriff der „Nachhaltigkeit“ geklärt. Ein verbreiteter Irrtum in diesem Zusammenhang: Nachhaltige Geldanlage hat nicht zwingend etwas mit Öko zu tun und bietet auch andere Möglichkeiten als Solaranlagen und Windräder.

Das Forum Nachhaltige Geldanlagen e.V. (FNG) legt in seinen Betrachtungen die folgende Definition zugrunde: „Nachhaltige Geldanlage ist die allgemeine Bezeichnung für nachhaltiges, verantwortliches, ethisches, soziales, ökologisches Investment und alle anderen Anlageprozesse, die in ihre Finanzanalyse den Einfluss von ESG (Enviroment, Social und Governance) – Kriterien einbeziehen. Dies beinhaltet auch eine explizite schriftlich formulierte Anlagepolitik zur Nutzung von ESG-Kriterien.“

Genau hier liegt der Knackpunkt, der am einfachsten anhand eines Aktienfonds erklärt ist:

Der Manager eines konventionellen weltweiten Aktienfonds kann für seinen Fonds aus dem vollen Spektrum der weltweiten Aktien (z.B.: MSCI World) auswählen. Ihm geht es darum, die vielversprechendsten Aktien aus allen verfügbaren Werten auszusuchen und somit im Optimalfall eine bessere Entwicklung als der Gesamtmarkt zu erzielen.

Was unterscheidet den nachhaltigen Aktienfonds?

Hier hat der Fondsmanager nicht die Auswahl aus allen Werten des MSCI World, sondern nur aus den Unternehmen, die den zuvor genannten ESG-Kriterien entsprechen. Für unser Beispiel bedeutet dies, dass sich die verfügbare Anzahl an Werten von 1.648 auf 402 reduziert (vgl. MSCI World und MSCI World SRI). Herausgefiltert werden eben die Unternehmen, die (bezogen auf ihre jeweilige Branche) vergleichsweise schlechte Umweltstandards, Arbeitsbedingungen oder Mängel in der Unternehmensführung aufweisen. Das heißt also konkret, dass Rüstungsunternehmen, Minenbetreiber oder auch Mineralölkonzerne keineswegs zwingend ausgeschlossen werden, sondern nur dann, wenn sie (relativ zu ihrer Branche) schlechte ESG Kriterien aufweisen.

Das ist die erste wichtige Erkenntnis: ESG-Konformität hat nichts mit Ausschlusskriterien ganzer Branchen oder Geschäftsfelder zu tun!

Insofern verfolgen die meisten nachhaltigen Investmentfonds eine Kombination unterschiedlicher Kriterien und Ansätze. Neben der ESG-Konformität als Basis werden in der Regel zusätzliche k.o.-Kriterien durch das Management formuliert, welche Unternehmen unabhängig von ihrem ESG-Rating vollständig ausschließen. In der Regel fallen hierunter mindestens Rüstung, Kinderarbeit, Pornografie, Glücksspiel und Tabak- sowie Alkoholhersteller.

Welche Ausschlusskriterien sind sinnvoll? – Definition des eigenen Wertesystems

Spätestens an dieser Stelle besteht somit deutliches Diskussionspotenzial bzw. es kommt stark auf das eigene Wertesystem an. Nachfolgend einiger Beispiele zur Illustration:

So stellt sich die Frage, ob Alkoholhersteller einem zwingenden Ausschluss unterliegen sollten oder es auf die Art des produzierten Alkohols ankommt. Wie hoch muss der Anteil der Rüstungssparte eines Unternehmens sein, damit ein Ausschluss erfolgt und gilt dies für alle Rüstungsgüter? Für einige Anleger sind Tierversuche, sofern nicht gesetzlich verpflichtend, ein klares no go, häufig handelt es sich hierbei jedoch nicht um ein Ausschlusskriterium.

Ein sehr kontroverser Aspekt ergibt sich, wenn man den Ursprung der nachhaltigen Geldanlage beleuchtet. Denn dieser liegt im Bereich der Anlage von Kirchengeldern und den hiermit verbundenen Werten. Insbesondere in Bezug auf die katholische Kirche bestehen Wertmaßstäbe, die heute sicherlich nicht mehr von allen Anlegern mitgetragen werden, wie etwa der Ausschluss von Verhütungsmittelproduzenten.

Insofern sollte bei der Auswahl Fonds genau darauf geachtet werden, welche Ausschlusskriterien angewandt werden, wie groß der Ermessensspielraum des Fondsmanagement ist und welche weiteren Aspekte Beachtung finden. Zusätzlich existieren auch viele Fonds, die durchaus alle Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, aber beispielsweise nicht explizit als nachhaltige Fonds ausgewiesen sind oder ein entsprechendes Siegel (z.B. FNG-Siegel) tragen.

Worauf Anlegerinnen achten sollten

Für private Anlegerinnen ergibt sich hieraus also ein ähnliches Problem wie bei den eingangs beschriebenen Bio-Eiern im Supermarkt. In einem ersten Schritt ist es also wichtig, zu definieren, welche Werte und Kriterien Anwendung finden sollen. Basierend hierauf können dann Fonds ausgewählt werden, deren Nachhaltigkeitsstrategie dazu passt.

Selbstverständlich gelten auch für den Einsatz nachhaltiger Geldanlagen die gleichen Regeln wie bei konventionellen Fonds. Das Depot sollte auch hier nicht isoliert betrachtet werden, sondern Teil einer umfassenden Anlagestrategie sein.

In diesem Zusammenhang sei auch noch mit einem gefährlichen Missverständnis aufgeräumt: Die Nachhaltigkeit einer Geldanlage ist in keiner Weise gleichbedeutend mit einem verminderten Risiko. Auch nachhaltige Aktienfonds unterliegen Schwankungen, die zur Risikobereitschaft und zum Anlagehorizont des jeweiligen Anlegers passen müssen!

Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Integration von Nachhaltigkeitskriterien in die Portfoliozusammensetzung eine sinnvolle und erstrebenswerte Ergänzung darstellt. Hieraus ergeben sich neben ethischen und moralischen Mehrwerten durchaus interessante Vorteile in Bezug auf die Risikoeigenschaften der Positionen im Depot. Denn durch die zusätzliche Prüfung hinsichtlich der Unternehmensführung können beispielsweise drohende Korruptionsskandale oder nicht nachhaltige Unternehmen früher erkannt und eher ausgeschlossen werden.

Für private Anlegerinnen bestehen jedoch zahlreiche Auswahlmöglichkeiten, die schwer zu überblicken sind und daher der Unterstützung einer professionellen Beratung bedürfen.