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Mikrokredite trotzden bislang der Corona-Krise

16. April 2020

Zusammenfassung: Viele Anlegerinnen haben in der Vergangenheit Mikrokreditefonds zur Geldanlage genutzt, da sich das Mikrofinanzsystem in der Vergangenheit unbeeindruckt von Krisen gezeigt hat. Wird das auch im Fall der Corona Epidemie so sein?

Wie könnten Mikrofinanzen unter Corona leiden?

Das gesamte System der Mikrofinanzen basiert darauf, dass kleine Unternehmer*innen in Schwellenländern Kredite erhalten, die aus den Gewinnen ihrer Unternehmen zurück gezahlt werden.

Die Pandemie des Coronavirus hat bisher hauptsächlich die entwickelten Länder getroffen, wird aber kurz- und mittelfristig auch die Schwellenländer betreffen.

Entsprechenden könnten die Kreditnehmer*innen in den Schwellenländern nicht mehr in der Lage sein, ihre Kredite an die Mikrokreditinstitute vor Ort, den Micro-Finance-Institutions (MFI) zurückzuzahlen. Folgend daraus könnten die MFI#s nicht mehr in der Lage sein, ihre Darlehen, die sie von den Mikrofinanzfonds in Deutschland erhalten haben, zurück zu zahlen.

Wie das Fondsmanagement des „Dual Return Fund – Vision Microfinance“ berichtet,  beeinflussten die marktbewerteten Investitionen bzw. Anleihen das Portfolio temporär negativ, der Markt hat also die Mikrofinanzdarlehen niedriger bewertet. Der durchschnittliche Anleihepreis steht jetzt bei ca. 98% im Vergleich zu 101% im Februar 2020.

Was spricht für diese These?

Das Corona-Virus hat die westlichen Industrienationen derzeit fest im Griff. Auch wenn der Reiseverkehr und damit der Austausch von Menschen hier intensiver ist als mit den Schwellenländern, muss man von einer Verbreitung der Pandemie auch dort ausgehen. Große Schwellenländer wie Indien oder Brasilien haben bereits massive Maßnahmen zur Eindämmung des Virus getroffen.

Häufig leben die Menschen auf engstem Raum, so dass das Virus gute Bedingungen zur Ausbreitung vorfindet. Selbst einfachste Hygienemaßnahmen, wie häufiges Händewaschen, sind ohne fließendes Wasser nur schwer durchzuführen. Auch ist es schwierig, die Bevölkerung überhaupt über Schutzmaßnahmen zu unterrichten und die Verbreitung von Falschmeldungen zu unterbinden.

Das Gesundheitssystem in den Schwellenländern ist deutlich ineffizienter entwickelt als das westlicher Staaten, so dass die Behandlung von Corona-Erkrankten schlechter möglich ist. Auch Tests auf Infektionen dürften deutlich weniger durchgeführt werden als in den Industrieländern.

In den ersten Ländern wurden Ausgangssperren erlassen, damit fehlen als Folge den Kleinunternehmenden die Kunden. Auch wenn viele Mikrofinanzunternehmer*innen lebensnotwendige Artikel, wie Lebensmittel anbieten, wird es nicht jeder Kleinunternehmer schaffen, diese Krise zu überstehen um seine Mikrokredite zurückzuzahlen.

Die Staaten und Zentralbanken in Entwicklungsländern sind selten finanzstark, so dass die Ausbreitung der Pandemie stärkere wirtschaftliche Schäden hinterlassen könnte als in entwickelten Ländern.

Bei Krisen der reichen Industrieländern kommt es jedoch häufig dazu, dass massiv Gelder aus den Schwellenländern abgezogen werden, was die Wirtschaft und vor allem die Währungen dort zusätzlich unter Druck bringt. In vereinzelten Situationen wurden von Regierungen Moratorien erlassen, die es untersagten Kapital ins Ausland zu überweisen. Auch dies könnte die Mikrokreditrückzahlung negativ beeinflussen.

Was spricht gegen diese These?

Wer die typischen Mikrofinanzdarlehensnehmer analysiert, stellt fest, dass dies häufig Bauern, kleine Händler*innen, Kleinstunternehmer*innen wie Schneider*innen oder Fahrradhändler*innen sind. Diese Unternehmen sind typischerweise nicht von internationalen Lieferketten abhängig sondern können ihr Geschäft weitgehend unabhängig betreiben.

Die Bevölkerung in den Schwellenländern ist durchschnittlich deutlich jünger als die Bevölkerung bei uns, so dass der Krankheitsverlauf bei vielen ohne oder nur mit schwachen Symptomen stattfinden dürfte.

Die Wirtschaft in den Schwellenländern ist grundsätzlich weniger von Reisen abhängig, da es sowohl weniger Geschäfts- als auch weniger Urlaubreisen gibt. Der Zusammenbruch dieser Branchen trifft diese Länder weniger stark.

Selbst wenn die einzelnen Mikrokredite etwas öfter ausfallen, gibt es die Zwischenstufe der Mikro-Finanzinstitute (MFI). Diese können aufgrund Ihrer eigenen Reserven Kreditausfälle bis zu einem gewissen Rahmen abfedern bzw. man kann im Verhältnis zwischen den deutschen Mikrofinanzfonds und den MFI’s besondere Vereinbarungen treffen. So berichtete etwa Invest-in-Visions:

 „Gute Beispiele für die Widerstandsfähigkeit des Mikrofinanzsektors sind beispielsweise die 2014 ergriffenen Sanktionen gegen Russland infolge der Krim-Annexion, die besonders die zentralasiatischen MFIs betroffenhaben. Ein weiteres Beispiel war das verheerende Erdbeben in Ecuador im Jahr 2016. In beiden Fällen wurden individuelle Lösungen gefunden, die den MFIs in den jeweiligen Stresssituationen Luft zum Atmen gaben. Die damals betroffenen Kredite wurden erfolgreich an den IIV Mikrofinanzfonds zurückgezahlt.“

Zu guter Letzt zeigt der Blick in die Vergangenheit, dass Mikrofinanzen bisher Krisen wie SARS 2002/2003, die Finanzkrise 2008, MERS 2012 oder die Emerging Market Krise 2014/2015 unbeschadet überstanden haben.

In der aktuellen Situation ist es so, dass durch die massive Senkung der amerikanischen Zinsen der zuvor bestehende Unterschied zu den europäischen Zinsen deutlich gesunken ist und damit die Währungsabsicherungskosten von rund 1 1/2 Prozent jährlich, die üblicherweise die Mikrokredit-Fonds belasten, spürbar reduziert werden.

Was tun?

Die Kapitalanlegerinnen, die bereits in Mikrokredite investiert sind, sollten sich eine eigene Meinung über die genannten Aspekte bilden. Zum aktuellen Zeitpunkt (13.4.20) sind Mikrofinanzen deutlich besser durch die Corona-Krise gekommen als Aktien oder Anleihen aller Laufzeiten. Die Coronakrise hat jedoch auch bei Mikrofinanz die Risiken erhöht.

 Autorin: Carmen Junker, Gründerin der Grünes Geld GmbH und Geschäftsführerin der Grünes Geld GmbH.