Zusammenfassung:
Viele Anlegerinnen haben in der Vergangenheit Mikrokreditefonds zur Geldanlage
genutzt, da sich das Mikrofinanzsystem in der Vergangenheit unbeeindruckt von
Krisen gezeigt hat. Wird das auch im Fall der Corona Epidemie so sein?
Wie könnten Mikrofinanzen unter Corona leiden?
Das gesamte
System der Mikrofinanzen basiert darauf, dass kleine Unternehmer*innen
in Schwellenländern Kredite erhalten, die aus den Gewinnen ihrer Unternehmen
zurück gezahlt werden.
Die Pandemie
des Coronavirus hat bisher hauptsächlich die entwickelten Länder getroffen,
wird aber kurz- und mittelfristig auch die Schwellenländer betreffen.
Entsprechenden
könnten die Kreditnehmer*innen in den Schwellenländern nicht mehr in der Lage
sein, ihre Kredite an die Mikrokreditinstitute vor Ort, den Micro-Finance-Institutions
(MFI) zurückzuzahlen. Folgend daraus könnten die MFI#s nicht mehr in der
Lage sein, ihre Darlehen, die sie von den Mikrofinanzfonds in Deutschland
erhalten haben, zurück zu zahlen.
Wie das Fondsmanagement
des „Dual Return Fund – Vision Microfinance“ berichtet, beeinflussten
die marktbewerteten Investitionen bzw. Anleihen das Portfolio temporär negativ,
der Markt hat also die Mikrofinanzdarlehen niedriger bewertet. Der
durchschnittliche Anleihepreis steht jetzt bei ca. 98% im Vergleich zu 101% im
Februar 2020.
Was spricht
für diese These?
Das
Corona-Virus hat die westlichen Industrienationen derzeit fest im Griff. Auch
wenn der Reiseverkehr und damit der Austausch von Menschen hier intensiver ist
als mit den Schwellenländern, muss man von einer Verbreitung der Pandemie auch
dort ausgehen. Große Schwellenländer wie Indien oder Brasilien haben bereits
massive Maßnahmen zur Eindämmung des Virus getroffen.
Häufig leben
die Menschen auf engstem Raum, so dass das Virus gute Bedingungen zur
Ausbreitung vorfindet. Selbst einfachste Hygienemaßnahmen, wie häufiges
Händewaschen, sind ohne fließendes Wasser nur schwer durchzuführen. Auch ist es
schwierig, die Bevölkerung überhaupt über Schutzmaßnahmen zu unterrichten und
die Verbreitung von Falschmeldungen zu unterbinden.
Das Gesundheitssystem
in den Schwellenländern ist deutlich ineffizienter entwickelt als das
westlicher Staaten, so dass die Behandlung von Corona-Erkrankten schlechter
möglich ist. Auch Tests auf Infektionen dürften deutlich weniger durchgeführt werden
als in den Industrieländern.
In den
ersten Ländern wurden Ausgangssperren erlassen, damit fehlen als Folge den
Kleinunternehmenden die Kunden. Auch wenn viele Mikrofinanzunternehmer*innen lebensnotwendige
Artikel, wie Lebensmittel anbieten, wird es nicht jeder Kleinunternehmer
schaffen, diese Krise zu überstehen um seine Mikrokredite zurückzuzahlen.
Die Staaten
und Zentralbanken in Entwicklungsländern sind selten finanzstark, so dass die Ausbreitung
der Pandemie stärkere wirtschaftliche Schäden hinterlassen könnte als in
entwickelten Ländern.
Bei Krisen
der reichen Industrieländern kommt es jedoch häufig dazu, dass massiv Gelder
aus den Schwellenländern abgezogen werden, was die Wirtschaft und vor allem
die Währungen dort zusätzlich unter Druck bringt. In vereinzelten Situationen
wurden von Regierungen Moratorien erlassen, die es untersagten Kapital ins
Ausland zu überweisen. Auch dies könnte die Mikrokreditrückzahlung negativ
beeinflussen.
Was spricht
gegen diese These?
Wer die typischen
Mikrofinanzdarlehensnehmer analysiert, stellt fest, dass dies häufig
Bauern, kleine Händler*innen, Kleinstunternehmer*innen wie Schneider*innen oder
Fahrradhändler*innen sind. Diese Unternehmen sind typischerweise nicht von
internationalen Lieferketten abhängig sondern können ihr Geschäft
weitgehend unabhängig betreiben.
Die Bevölkerung
in den Schwellenländern ist durchschnittlich deutlich jünger als die
Bevölkerung bei uns, so dass der Krankheitsverlauf bei vielen ohne oder nur mit
schwachen Symptomen stattfinden dürfte.
Die
Wirtschaft in den Schwellenländern ist grundsätzlich weniger von Reisen
abhängig, da es sowohl weniger Geschäfts- als auch weniger Urlaubreisen
gibt. Der Zusammenbruch dieser Branchen trifft diese Länder weniger stark.
Selbst wenn
die einzelnen Mikrokredite etwas öfter ausfallen, gibt es die Zwischenstufe der
Mikro-Finanzinstitute (MFI). Diese können aufgrund Ihrer eigenen Reserven
Kreditausfälle bis zu einem gewissen Rahmen abfedern bzw. man kann im
Verhältnis zwischen den deutschen Mikrofinanzfonds und den MFI’s besondere
Vereinbarungen treffen. So berichtete etwa Invest-in-Visions:
„Gute Beispiele für die
Widerstandsfähigkeit des Mikrofinanzsektors sind beispielsweise die 2014
ergriffenen Sanktionen gegen Russland infolge der Krim-Annexion, die besonders
die zentralasiatischen MFIs betroffenhaben. Ein weiteres Beispiel war das
verheerende Erdbeben in Ecuador im Jahr 2016. In beiden Fällen wurden
individuelle Lösungen gefunden, die den MFIs in den jeweiligen Stresssituationen
Luft zum Atmen gaben. Die damals betroffenen Kredite wurden erfolgreich an den
IIV Mikrofinanzfonds zurückgezahlt.“
Zu guter
Letzt zeigt der Blick in die Vergangenheit, dass Mikrofinanzen bisher
Krisen wie SARS 2002/2003, die Finanzkrise 2008, MERS 2012 oder die Emerging
Market Krise 2014/2015 unbeschadet überstanden haben.
In der
aktuellen Situation ist es so, dass durch die massive Senkung der
amerikanischen Zinsen der zuvor bestehende Unterschied zu den europäischen
Zinsen deutlich gesunken ist und damit die Währungsabsicherungskosten von
rund 1 1/2 Prozent jährlich, die üblicherweise die Mikrokredit-Fonds
belasten, spürbar reduziert werden.
Was tun?
Die Kapitalanlegerinnen, die bereits in Mikrokredite
investiert sind, sollten sich eine eigene Meinung über die genannten Aspekte
bilden. Zum aktuellen Zeitpunkt (13.4.20) sind Mikrofinanzen deutlich besser
durch die Corona-Krise gekommen als Aktien oder Anleihen aller Laufzeiten. Die
Coronakrise hat jedoch auch bei Mikrofinanz die Risiken erhöht.
Autorin: Carmen Junker, Gründerin der Grünes Geld GmbH und Geschäftsführerin der Grünes Geld GmbH.